“Stranger Things" Staffel 4 ist ab dem 27. Mai auf Netflix zu sehen. Unsere Autorin bekam die ersten sechs Folgen vorab zur Ansicht. Die folgende Rezension verzichtet jedoch auf größere Spoiler.
Wird Eleven ihre Kräfte zurück erlangen? Gelingt es Hopper, sich aus dem russischen Straflager zu befreien und zu seinen Lieben zurückzukehren? Und was hat es mit dem neuen Monster auf sich, das Hawkins heimsucht? Wer den Trailer zur vierten Staffel der weltweit beliebten Science-Fiction-Serie “Stranger Things” gesehen hat, weiß bereits, dass dies die zentralen Fragen sind, die die neuen Folgen leiten. Was das Publikum hingegen nicht ahnt, ist wie blutig, brutal und gruselig “Stranger Things” Staffel 4 ist. (Lesen Sie auch: Die besten Science-Fiction-Filme – laut NASA)
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Ein Serienmörder aus einer anderen Dimension
Während für die ersten Staffeln noch verspielte, relativ unschuldige Sci-Fi- und Abenteuer-Filme wie “E.T.”, “Die Goonies”, “Stand by Me” und “Ghostbusters” als Referenz dienten, orientiert sich Staffel 4 des Netflix-Originals am blanken Horror von “Carrie”, “Der Exorzist” und “Nightmare on Elm Street”. Vor allem sogenannter “body horror” – in diesem Fall groteske Verrenkungen und extrem blutige Gesichtsverletzungen – wird immer wieder in Großaufnahme in Szene gesetzt.
Verantwortlich für diesen schrecklichen Anblick ist ein neuer, rätselhafter Bösewicht, dem die Kinder erneut den Namen eines Wesens aus dem Fantasyspiel Dungeons and Dragons geben: Vecna. Dieser hat es vor allem auf gequälte Seelen und sozial isolierte Jugendliche abgesehen, die er tief in ihrer angeschlagenen Psyche heimsucht, bedroht und schließlich umbringt (Freddy Krueger lässt grüßen); die Teenager von Hawkins scheinen dem brutalen Serienmörder aus dem Upside Down also schutzlos ausgeliefert zu sein, haben sie doch alle bereits ihre Erfahrungen mit Trauer, Verlust, Enttäuschung und Schmerz gemacht.
Triumphiert die Macht der Freundschaft auch diesmal über das Böse?
Parallel stellen die Drehbuchautoren erneut ihr Talent für Charaktere mit Tiefe und ihre Beziehungen zueinander unter Beweis, in dem sie uns neue, erfrischende Team-Ups präsentieren: Weil sein Freund Eddie (Neuzugang Joseph Quinn), ein langhaariger, rebellischer Punkrocker, verdächtigt wird, hinter den “satanistischen” Morden zu stecken, beginnt Dustin (Gaten Matarazzo) gemeinsam mit Steve (Joe Keery), Robin (Maya Hawke), Nancy (Natalia Dyer) und Max (Sadie Sink) zu ermitteln, während Mike (Finn Wolfhard) zu Besuch bei Eleven (Millie Bobby Brown), Will (Noah Schnapp) und Jonathan (Charlie Heaton) in Kalifornien ist und Lucas (Caleb McLaughlin) als Mitglied der Schulbasketballmannschaft seine neue Beliebtheit genießt. Unterdessen tun sich Joyce (Winona Ryder) und Murray Bauman (Brett Gelman) zusammen, um Hopper zu suchen, nachdem die unerschrockene Kleinstadt-Mutter einen kuriosen Hinweis auf dessen Überleben erhalten hat. (Lesen Sie auch: Diese 13 Serien zeigen Freundschaft mit all ihren Höhen und Tiefen)
Was man bei all diesen separaten Handlungssträngen schockiert feststellen muss, ist wie lieb man diese Figuren in den letzten sechs Jahren, seit die Serie ihre Premiere bei Netflix feierte, gewonnen hat. Man wünscht ihnen allen ein Happy End, egal ob dieses aus einem Date mit der Blasorchester-Kollegin, Seelenfrieden oder dem Wiedererlangen der eigenen Superkräfte besteht.
Charaktere mit Tiefgang
Endlich erfahren wir auch mehr über die übernatürlich begabte Eleven und ihre Anfänge im Labor von Dr. Brenner. Denn um den Verlust ihrer telekinetischen Kräfte zu verarbeiten, muss sich das Mädchen mit seiner schmerzhaften Vergangenheit auseinandersetzen. Millie Bobby Brown meistert die emotionalen Ausbrüche der jugendlichen Waisin wie gewohnt mit furchtloser Hingabe und zeichnet Eleven einmal mehr als komplexe Heldin wider Willen – denn diese sehnt sich keineswegs danach die Welt zu retten, sondern will einfach nur ein normales Teenagerleben genießen, inklusive Eisessen im Einkaufszentrum und Händchenhalten in der Rollschuhdisko. (Auch interessant: Harry Styles: Diese 10 Songs haben seine Karriere geprägt – und sollten auch Ihnen ein Begriff sein)
Mehr denn je fühlt man sich als Zuschauer in dieser Staffel außerdem zu Max hingezogen, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass die Serienschöpfer sie erstmals vom Beiwerk zur Protagonistin befördert haben. Darstellerin Sadie Sink nutzt jedenfalls ihre Chance, um zu beweisen, welches Talent, in ihr steckt. Stille Verzweiflung zu vermitteln, offenbart sich dabei als eine der größten Stärken der 20-Jährigen, ebenso wie das einsame Ringen um den Mut, die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und um Hilfe zu bitten (für alle, die Taylor Swifts 10-minütiges Musikvideo zu “All Too Well” gesehen haben, in dem Sink die Hauptrolle spielt, ist das natürlich nichts Neues).
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Gelungene Parabel über das Grauen des Erwachsenwerdens
Immer wieder wird das Grauen von Vecnas Taten durch heiterere Szenen zwischen den Freunden kontrastiert, die sich auf ihrer Suche nach Antworten unentwegt necken und kabbeln, aber einander auch zuhören und beistehen. Wie bedeutungsvoll diese Momente tatsächlich sind, offenbart sich erst im Laufe der Staffel, aber soviel sei verraten: Das zentrale Thema der sechs neuen Folgen ist Resilienz, also die Kunst, Schicksalsschlägen und Krisen zu meistern, und Freundschaft spielt dabei eine wichtige Rolle.
Wenn Sie sich nun fragen, wieso eine Science-Fiction-Serie, die vor allem wegen ihrer Nostalgie für die Achtziger-Jahre Anklang gefunden hat, sich mit psychischer Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung befasst, so lässt sich das ganz einfach beantworten: In ihrem Kern ist “Stranger Things” eine Parabel über das Grauen des Erwachsenwerdens, die Einsamkeit, die Hilflosigkeit, Ängste und Selbstzweifel, die es mit sich bringt, erst Recht, wenn die Welt um einen herum furchterregend ist. (Wie Sie Resilienz lernen können, lesen Sie hier)
Und das ist sie ja auf irgendeine Weise immer, egal in welche Epoche man geboren wird, und ob die Bedrohung nun von Wesen aus einer anderen Dimension, der voranschreitenden Klimakatastrophe, einer Pandemie, oder einem bevorstehenden Krieg ausgeht – oder allem zusammen. Auch wenn es sich bei Fantasywesen wie Vecna vielleicht um eine überspitzte Symbolik handelt, so kann man der Serie doch zumindest nicht vorwerfen, sie würde die Sorgen junger Menschen nicht ernst nehmen. (Außerdem: Das sind die laut Kritikern 30 besten Netflix-Serien)
Wann und wo gibt es “Stranger Things” Staffel 4 zu sehen?
Der erste Teil der vierten Staffel (sieben Folgen zu etwa einer Stunde) ist ab dem 27. Mai beim Streaming-Dienst Netflix verfügbar. Der zweite Teil soll im Juli folgen, allerdings handelt es sich dabei offenbar nur um zwei weitere Folgen, die jedoch Extralänge haben.