Kino-Kritik

“Top Gun: Maverick”: Komplett aus der Zeit gefallen – aber mit einem großen Plus

Wer hätte gedacht, dass einer der größten Kinofilme 2022 ein Actionfilm ist, bei dem das Militär wie ein großer Abenteuerspielplatz dargestellt wird und in dem das Männerbild fest im 20. Jahrhundert verankert bleibt? Dank Tom Cruise ist das tatsächlich trotzdem sehenswert! 
Tom Cruise in Top Gun Maverick
Tom Cruise als Pete “Maverick” Mitchell in “Top Gun: Maverick”.Paramount Pictures

“Top Gun: Maverick”, ab dem 26. Mai im Kino: Ein Film aus der Vergangenheit mit einem glänzenden Hauptdarsteller

Es dauert nur Sekunden, da fühlt man sich im Kino zurückversetzt in die 80er-Jahre. “Danger Zone” von Kenny Loggins dröhnt aus den Boxen, Kampfjets donnern über Flugzeugträger – und Tom Cruise sieht im Vergleich zum Original-"Top Gun" kaum gealtert aus. Auf keinen Fall sieht man ihm die 57 Jahre an, die er zum Zeitpunkt des Drehs von “Top Gun: Maverick” auf den Schultern hatte.

Und siehe da: Auch seine Rolle Pete Mitchell, aka Maverick, hat sich kaum verändert. Er ist immer noch der draufgängerische Pilot wie damals – nur heute als Testpilot für einen Düsenjet, der als erstes Fluggerät der Menschheitsgeschichte die unglaubliche Geschwindigkeit “Mach 10”, also das zehnfache der Schallgeschwindigkeit erreichen soll. Sein Flugversuch endet nicht ganz so wie vorgesehen – und Maverick droht einmal mehr, unehrenhaft aus dem Militär entlassen zu werden. (Lesen Sie auch: "Top Gun: Maverick feiert glanzvolle Europa-Premiere in Cannes)

Maverick kehrt dahin zurück, wo alles begonnen hat

Weil ein alter Bekannter in einer hohen Position allerdings seine schützende Hand über ihn hält, landet Cruise nicht als Pilot bei einer Regionalfluglinie oder etwa in Rente, sondern wieder dort, wo alles angefangen hat: Bei “Top Gun”, der Elite-Schule für US-Kampfjet-Piloten. Dort soll er die besten Rekruten der Air Force auf eine Mission vorbereiten, die eigentlich unmöglich ist und sie höchstwahrscheinlich direkt in die ewigen Jagdgründe führen wird.

Einer dieser Rekruten ist ausgerechnet Bradley Bradshaw, Piloten-Tag “Rooster”, der Sohn von "Goose", dem ehemals besten Freund von Maverick aus dem alten “Top Gun”. Und nicht nur will Maverick verhindern, Rooster (Miles Teller) in den sicheren Tod zu schicken – sein Patenkind ist auch aus gutem Grund nicht gut auf ihn zu sprechen.

Es folgen zwei Stunden unglaublich dicht inszenierte Flugsequenzen und ein Angriff auf einen gesichtslosen Feind, der weder räumlich noch gesinnungsmäßig einzuordnen ist. Dazu darf sich Tom Cruise auch einmal mehr als Herzensbrecher inszenieren, dem man nicht mehr böse sein kann, wenn er erst sein gewinnendes Lächeln einschaltet. Kelly McGillis, Mavericks große Liebe aus dem alten Film, ist nicht mehr dabei, weil sie den Filmemachern nach eigener Aussage zu normal gealtert ist und tatsächlich aussieht wie eine 60-Jährige, was neben dem ewig jungen Tom Cruise nicht funktioniert hätte. Stattdessen spielt die mittlerweile immerhin 51 Jahre alte Jennifer Connelly eine Ex-Freundin von Maverick, die alte Gefühle aufflammen lässt. (Lesen Sie auch: Das sind die 10 wichtigsten Filme von Tom Cruise' Karriere)

Die Verbrüderung gibt es oben ohne beim Strandfootball

“Top Gun: Maverick” ist vieles, vor allem aber: komplett aus der Zeit gefallen. Die Rekruten auf dem Stützpunkt machen aus einer Partie Billard einen Macho-Schwanzvergleich, wie er auch 1986 schon unangenehm gewesen wäre, singen ausgelassen Jerry Lee Lewis' “Great Balls of Fire” (Ja, genau wie Maverick und Goose im alten Film, aber ernsthaft: Welcher Millennial hat den Text parat?) und die große Verbrüderung der Rivalen gibt es bei einer Partie Football am Strand mit eingeölten, durchtrainierten Oberkörpern. Davon, dass es zu Zeiten, in denen Russland einen brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine führt, zumindest unangenehm ist, einen Film anzusehen, der das Militär als großen Abenteuerspielplatz und Soldaten als heroische und – nach einer Partie Strandfootball – selbstlose Krieger für das Gute darstellt, wollen wir gar nicht erst anfangen.

Dass “Top Gun: Maverick” dennoch sehenswert ist und ohne Frage einer der größten Blockbuster des Kinosommers sein wird, liegt neben den spektakulären Flug-Szenen vor allem an seinem Hauptdarsteller. Tom Cruise beweist hier einmal mehr, dass er es wie kaum ein Zweiter beherrscht, auch in seinem Alter noch komplette jugendliche Begeisterungsfähigkeit zu versprühen. Sein Maverick ist wie ein kleines Kind, für das es nichts Größeres gibt, als in einem Kampfjet den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen. Er trägt diesen Film durch jedes Klischee und jede noch so vorhersehbare Wendung. (Lesen Sie auch: Das ist das emotionale ‘Top Gun’-Lied von Lady Gaga)

Fans bekommen, was sie erwarten – Kritiker des Films aber auch

Der große emotionale Moment des Films gehört dennoch nicht ihm alleine, sondern seinem einstigen Rivalen und mittlerweile besten Freund: Val Kilmer wurde selbst mit “Top Gun” zum Star, seine Karriere fand ein jähes und unschönes Ende, als bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert wurde und er nach einer Operation seine Stimme verlor. Sein Auftritt in diesem Film ist zwar kurz, aber wer hier nicht mit den Tränen kämpfen muss, hat entweder noch nie von Val Kilmer gehört oder kein Herz.

Fans des alten “Top Gun” bekommen in “Maverick” alles, was sie sich von einer Fortsetzung wünschen konnten. Wer aber mit dem ganzen Thema bisher gefremdelt hat und sich fragt, wieso man in Kriegszeiten Geld für so einen Film ausgeben sollte, der bleibt dem Kino lieber fern – denn gute Argumente, das zu widerlegen liefert “Top Gun: Maverick” keine.

“Top Gun: Maverick” läuft ab dem 25. Mai im Kino